Tipps zur Gehaltsverhandlung
Für die meisten von uns ist die Haupteinnahmequelle das Gehalt. Wir tauschen unsere Zeit und unser Können gegen Geld. Somit rechnet die Gesellschaft, die freie Marktwirtschaft und wir selbst unserer Arbeit einen monetären Wert zu. Umso erschreckender sind Statistiken die belegen, dass jeder 5. von uns nie sein Gehalt verhandelt. Männliche Arbeitnehmer sind laut Statistiken forscher als ihre weiblichen Kolleginnen: 25% der weiblichen Befragten gaben an nie nach einer Gehaltserhöhung zu fragen – bei den Männern sind das nur 24%.
Prinzipiell denke ich, dass es sich dabei nicht um ein Frauenproblem handelt – die Statistiken zeigen uns ja, dass deutsche Männer auch besser sein könnten. Ich bin fester Überzeugung, dass dies ganz nah mit unserem gesellschaftlichen Denken über Geld verknüpft ist, zumindest im deutschsprachigen Raum. Über Geld wird wenig bis gar nicht gesprochen, vor allem nicht in der Öffentlichkeit – obwohl es einen so großen Teil unseres Lebens ausmacht, egal wie sehr wir unseren Job lieben.
Aber wie verhandelt man denn richtig?
Weil ich kein Verhandlungsprofi bin, aber gerne dazu lerne habe ich mit der Verhandlungsexpertin Mirnesa über Geld, Gehalt und Verhandlungen gesprochen.
Mirnesa Halitovic
Mirnesa hat mehrere Jahre im Einkauf bei diversen international agierenden Automobilzulieferern gearbeitet, wo Verhandlungsführung zu meinem Daily Business gehörte. Als Verhandlungsexpertin unterstützt sie ambitionierte Angestellte und Freelancer dabei, mit mehr Überzeugungskraft und Selbstvertrauen erfolgreiche Gehaltsverhandlungen zu führen.
Viel Spaß beim Lesen und Umsetzen 😉
Was bedeutet Gehalt für Dich?
Gehalt ist für mich eine Form der Wertschätzung meiner Leistung.
Gehalt ist ein sehr sensibles Thema – Warum glaubst Du, dass in unserer Gesellschaft so „vorsichtig“ darüber gesprochen wird?
„Über Geld spricht man nicht“ – der Glaubenssatz ist vor allem in Deutschland bei vielen verankert und daran halten sich tatsächlich auch viele. Meiner Meinung nach hat das kulturelle Gründe, wobei auch gewisse negative Vorurteile gegenüber Geld eine Rolle spielen und Menschen lieber schweigen, statt kontroverse Diskussionen zu führen.
Welche negativen Glaubenssätze zum Thema Gehalt & Geld erfährst du in deiner Arbeit als Verhandlungs-Coach und Expertin häufig?
Es gibt negative Glaubenssätze, die verbalisiert werden und jene die ich zwischen den Zeilen immer wieder heraushöre. Oft geht es darum, dass viele denken: „Geld ist nicht alles“, „Gute Leistung spricht für sich“, „Hauptsache mein Job macht mir Spaß, Geld ist nicht so wichtig“, „Man muss hart für Geld arbeiten“ „Entweder Du verdienst viel Geld oder mein Job macht mir Spaß“ „Geld macht nicht glücklich“ und „Ich will nicht gierig wirken“.
Da unsere Gedanken unsere Handlungen beeinflussen, führen solche negativen Überzeugungen dazu, dass die betroffenen Personen das Thema Geld/Gehaltsverhandlungen meiden und sich nicht intensiv damit beschäftigen. Das führt wiederum dazu, dass sich an ihrer suboptimalen Situation nichts ändert. Unser Mindset ist das Fundament für nachhaltigen Erfolg. Wenn wir neue bessere Ergebnisse wollen, müssen wir in erster Linie unsere Denkweise ändern.
Inwiefern verhalten sich Frauen und Männer anders bei der Gehaltsverhandlung bzw. den Gehaltsangaben?
Meine Erfahrung und diverse Studien zeigen, dass Frauen in Gehaltsverhandlungen grundsätzlich bescheidener sind als Männer. Das bedeutet konkret sie nehmen viel öfter das erste Angebot an, ohne zu verhandeln. An der Carnegie-Mellon-Universität wurde belegt, dass unter den Masterabsolventen nur 7% der weiblichen Studenten ihr Einstiegsgehalt verhandelt haben. Der Rest, also 93%, hat sich mit dem ersten Angebot zufrieden gegeben. Bei den männlichen Studenten waren es immerhin 57%, die nach einem höheren Gehalt gefragt haben. Die logische Schlussfolgerung ist, dass die Männer dementsprechend auch mehr verdienten. Sie erhielten im Durchschnitt ein um 7,6% höheres Gehalt. Das ist auch der größte Grund für die Gender Pay Gap – Frauen verhandeln im Vergleich zu Männern viel seltener und lassen somit viel Geld liegen.
Wie geht man eine Gehaltsverhandlung als Berufseinsteiger am besten an?
Zum einen solltest Du rechtzeitig mit der Jobsuche starten, was natürlich auch für Berufstätige gilt, um zu vermeiden unter Zeitdruck zu geraten. Denn, wenn Du unter Zeitdruck stehst wirst Du eher bereit sein Kompromiss einzugehen, die nicht zufriedenstellend sind. Zeitdruck schwächt immer die eigene Verhandlungsposition! Es ist auch immer vorteilhaft sich zuerst bei Arbeitgebern zu bewerben, die zwar interessant sind, aber von Dir nicht priorisiert werden.
Im Idealfall erhältst Du eine Zusage oder einen Vertragsentwurf, mit dem Du zu Deinem „Wunscharbeitgeber“ gehen kannst. Du hast somit eine Alternative und stärkst damit Deine Verhandlungsposition. Zumal es auch sein kann, dass der weniger interessante Arbeitgeber zum Favoriten werden kann. Du entscheidest letztendlich bei welchem Du anfangen möchtest. Im Vorstellungsgespräch solltest Du immer aus der Perspektive des Arbeitgebers argumentieren – Was hat er davon Dich als Mitarbeiterin einzustellen? Der Fokus sollte auch immer darauf liegen, was Du bereits kannst und nicht auf etwas was Du noch lernen musst.
Wie bereitet man sich richtig vor?
Berufseinsteigern empfehle ich immer verschiedene Plattformen zu nutzen, um sich zusätzliches Wissen anzueignen. Webinare, Podcasts, Online Kurse etc. Damit stellst Du Dein Interesse am Thema und Dein Engagement unter Beweis. Bei der Argumentation ist es sehr wichtig konkrete Beispiele zu nennen. Bevor ich mich in meinen jungen Jahren als Berufseinsteigern beworben habe, habe ich ein Kurs für professionelle Verhandlungsführung belegt, um mir zusätzliches Wissen in dem Bereich anzueignen, da Verhandlungsführung zu meinem Tätigkeitsbereich als Einkäuferin gehören würde. Die Tipps habe ich in meinem Alltag integriert und im Bewerbungsgespräch von einem konkreten Beispiel erzählt. Beim Kauf eines gebrauchten Laptops habe ich das gelernte Know-How angewandt und im Vorstellungsgespräch davon erzählt. Wie ich mich vorbereitet habe, wie ich die Verhandlung geführt habe und welches Ergebnis ich dadurch erzielt habe.
Und mit welcher Gehaltsvorstellung steige ich in die Verhandlung ein?
Du solltest auch dein Wunschgehalt recherchieren und dabei 3 Gehälter festlegen. Das maximal Gehalt: So hoch, dass Du es gerade noch begründen kannst. Dein Wunschgehalt, welches Du eigentlich haben möchtest und das Mind. Gehalt, welches für Dich noch akzeptabel ist. Mit dem Max. Gehalt gehst Du bei der Verhandlung ins Rennen und nutzt es als Verhandlungsbasis.
Wann kann/sollte ich im Beruf ein höheres Gehalt fordern? Gibt es zeitliche Grenzen, die man beachten sollte, um nach einer Gehaltserhöhung zu fragen?
Der Zeitpunkt für eine Gehaltsverhandlung ist primär abhängig von der erbrachten Leistung und nicht von der Betriebszugehörigkeit, wie manche annehmen. Das heißt, dass Du auch innerhalb der Probezeit ein höherer Gehalt fordern kannst, wenn Du einen größeren Mehrwert für das Unternehmen geschaffen hast, als ursprünglich erwartet. Vor der Weihnachtszeit und während der Ferienzeit solltest Du solche Gespräch meiden.
Und was sind deine ultimativen Tipps für Gehaltsverhandlungen, wenn man schon im Beruf ist?
Neben den Tipps für Berufseinsteiger, die auch hier wichtig sind, kannst Du als erfahrene Angestellte mehr Berufserfahrung aufweisen, wobei zu beachten ist, dass die Anzahl an Berufsjahren kein Kompetenzbeweis ist. Bewerber neigen oft dazu, sich vergleichbar zu machen, indem sie ihren Abschluss und die Anzahl an Berufsjahren als ausschlaggebend sehen. Viel wichtiger ist jedoch, was Du in der Zeit gelernt hast und beim neuen Arbeitgeber einsetzen kannst, um den größtmöglichen Nutzen für das Unternehmen zu liefern. Bei Verhandlungen geht es sehr stark um Transferdenken, was im (Berufs-) Alltag und besonders bei Quereinsteigern wichtig ist – Welchen Ablauf oder welche Logik kannst Du aus einem Bereich extrahieren und in einen neuen implementieren? Viele denken, dass sie als Quereinsteiger Nachteile habe und übersehen dabei zahlreiche Vorteile.
Kann man auch andere Gehaltskomponenten verhandeln? Beispielsweise einen Firmenwagen oder andere Goodies? Geht man hier ähnlich vor?
Vor einer Gehaltsverhandlungen solltest Du Dir auch überlegen, was neben dem Jahresgehalt, für Dich attraktiv ist. Zusätzliche Goodies können zum Beispiel sein: Weiterbildungen, zusätzliche Urlaubstage, Gym Abo, Krankenzusatzversicherung, Homeoffice, Wochenstunden reduzieren etc. Abhängig davon, was Dir persönlich wichtig ist, kannst Du die Forderungen im Gespräch platzieren, wenn Plan A nicht aufgeht, wie Du es gerne hättest. Das was Du als Alternative bzw. Plan B definiert hast, solltest Du erst erwähnen, wenn Du mit Plan A nicht mehr weiterkommst. Nicht alles auf einmal auf den Tisch legen.
Hast Du Tipps, wie man Gehaltsverhandlungen schon vorher üben kann, um „routinierter“ zu werden?
Zum einen solltest Du Deine Argumente laut und alleine üben, zum anderen kannst Du mit Freunden und Verwandten ein Vorstellungsgespräch simulieren. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie Fehler übersehen oder Deine Argumentation, Rhetorik oder Vorgehensweise nicht als Fehler sehen, da sie es selber nicht besser kennen.
Welche Rolle spielen, neben den vorbereiteten Argumenten, die Gestik und Mimik?
Gestik und Mimik spielen eine sehr wichtige Rolle, da diese unsere verbale Kommunikation widerlegen oder untermauern. Wenn Dein Gegenüber sich mit der Thematik gut auskennt, wird er Deine Selbstsicherheit/Unsicherheit schnell erkennen. 95% unserer Handlungen werden aus dem Unterbewusstsein gesteuert. Konkret: Wenn Du der Überzeugung bist, dass Du die perfekte Besetzung für diese Position bist, wirst Du das auch ausstrahlen und wirkst überzeugender. Wenn Du Dir bei der Frage nach Deinem Wunschgehalt unsicher bist, wirst Du das mit Deiner Körpersprache dem Gegenüber ebenfalls signalisieren.
Was sollte bzw. glaubst Du wird sich beim Thema Gehalt und Gehaltsverhandlungen in der Zukunft ändern?
Das Thema Gehaltsverhandlungen wird noch von vielen unterschätzt und das mangelnde Wissen in dem Beriech hat weitreichende negative Auswirkungen auf die Karriere.
Ich arbeite daran, dass so viele Menschen wie möglich ihren eigenen Wert erkennen und diesen überzeugend nach außen tragen! Erfolgreiche Gehaltsverhandlungen zu führen steigert die Motivation, führt zu mehr Sichtbarkeit im Unternehmen, um bei Beförderungen eher berücksichtigt zu werden und ist ein Katalysator für die Karriere.
Zudem sollte das Thema Geld kein Tabu Thema darstellen, da Geld ein wichtiger Bestandteil eines sorgenfreien Lebens ist. Die Weiterbildung in dem Bereich hat positive Auswirkungen auf alle Lebensbereiche!
Vielen Dank für das tolle Interview Mirnesa!
Fazit
Wenn Du mehr über das Thema Gehalt & Verhandlungen lesen/hören und lernen möchtest besuche gerne Mirnesas Webseite.
Viel Spaß beim Umsetzten!
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